Reise nach Ixtlan. by Carlos Castaneda

Reise nach Ixtlan. by Carlos Castaneda

Autor:Carlos Castaneda
Die sprache: deu
Format: epub


13. Die letzte Begegnung eines Kriegers

Sonntag, 28. Januar 1962

Gegen zehn Uhr morgens trat Don Juan ins Haus. Er war bei Anbruch der Dämmerung fortgegangen. Ich begrüßte ihn. Er kicherte, schüttelte mir mit clownesker Gebärde die Hand und begrüßte mich zeremoniell. »Wir werden einen kleinen Ausflug machen«, sagte er. »Du wirst uns zu einem ganz besonderen Platz fahren, um Kraft zu suchen.« Er entrollte zwei Tragnetze, tat in jedes von ihnen zwei mit Proviant gefüllte Kalebassen, band sie mit einem dünnen Seil zu und reichte mir ein Netz.

Wir fuhren gemächlich etwa sechshundert Kilometer nach Norden, verließen dann den Pan American Highway und schlugen eine nach Westen führende Sandstraße ein. Für Stunden schien mein Auto das einzige zu sein, das auf der Straße fuhr. Während wir so dahinrollten, stellte ich fest, daß ich durch die Windschutzscheibe nichts sehen konnte. Ich bemühte mich verzweifelt, die Umgebung zu erkennen, aber es war zu dunkel, und meine Windschutzscheibe war mit zerquetschten Insekten und Staub bedeckt.

Ich sagte Don Juan, ich müsse anhalten, um die Windschutzscheibe zu reinigen. Er befahl mir, weiterzufahren, auch, wenn ich mit zwei oder drei Stundenkilometern dahinkriechen und meinen Kopf durch das Seitenfenster stecken müßte, um nach vorn zu sehen. Er sagte, wir könnten nicht anhalten, bevor wir unseren Bestimmungsort erreicht hätten.

An einer bestimmten Stelle forderte er mich auf, nach rechts abzubiegen. Es war so dunkel und staubig, daß auch die Scheinwerfer nicht viel ausrichteten. Zitternd und zagend verließ ich die Straße. Ich fürchtete, auf dem weichen Bankett einzusinken, aber der Sand war fest.

Ich fuhr etwa fünfzig Meter im ersten Gang, wobei ich die Tür offen hielt, um hinauszuschauen. Schließlich sagte Don Juan, ich solle anhalten. Er sagte, ich hätte direkt hinter einem riesigen Felsen geparkt, der den Wagen gegen die Sicht abschirme. Ich stieg aus und ging im Licht der Scheinwerfer umher. Ich wollte die Umgebung erforschen, denn ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand. Aber Don Juan schaltete die Scheinwerfer aus. Laut sagte er, wir dürften keine Zeit verlieren und ich solle den Wagen abschließen, damit wir uns auf den Weg machen könnten. Er reichte mir mein Netz mit den Kalebassen. Es war so dunkel, daß ich stolperte und es beinah fallen ließ. Don Juan befahl mir freundlich, aber bestimmt, mich hinzusetzen, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hätten. Aber es lag nicht an meinen Augen. Kaum aus dem Auto gestiegen, hatte ich recht gut sehen können. Vielmehr litt ich an einer eigenartigen Nervosität, die bewirkte, daß ich mich wie geistesabwesend verhielt. Ich übersah einfach alles. »Wohin gehen wir?« fragte ich.

»Wir werden in völliger Dunkelheit zu einem besonderen Platz gehen«, sagte er. »Wozu?«

»Um Gewißheit zu erlangen, ob du weiterhin die Kraft jagen kannst, oder nicht.« Ich fragte ihn, ob er mit seinem Vorschlag einen Test meine und ob er, wenn ich durchfiele, weiterhin mit mir sprechen und mir sein Wissen mitteilen würde. Er hörte zu, ohne mich zu unterbrechen. Was wir vorhätten, sagte er, sei kein Test, sondern wir warteten auf ein Omen; wenn das Omen nicht komme, dann sei daraus zu schließen, daß meine Jagd nach Kraft erfolglos geblieben war.



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